Bremst die "Stellplatzablöse" das weitere Wirtschaftswachstum Jenas?!

Die Stadt Jena hat, wie viele andere Gemeinden auch von der Möglichkeit der Stellplatzablöse Gebrauch gemacht und eine Ablösesatzung (http://www.jena.de/fm/694/g04.pdf ), letztmals geändert im Februar 2002, erlassen. Dem Bauherrn wird dabei unter bestimmten Umständen die Möglichkeit eingeräumt, anstelle des eigentlich zu errichtenden Stellplatzes bzw. der zu errichtenden Stellplätze - einen nach der Ablösesatzung festgelegten Betrag zu bezahlen. Wenn man den Aussagen von (potentiellen) Investoren und investitionswilligen Unternehmen Glauben schenken darf, entwickelt sich diese Ablösesatzung zunehmend zu einem Bau- und Investitionshindernis in der Stadt.

Diese Einschätzung überrascht in zweierlei Hinsicht. Zum einen, weil die Stadt Jena die ihr vom Gesetzgeber zugestandenen Gestaltungsspielraum offensichtlich nicht als Instrument der mittel- bzw. langfristigen Investitionsförderung, sondern vielmehr als bloße Einnahmequelle sieht. Zum anderen, weil die Satzung in ihrer derzeitigen Fassung, nach Auffassung des Autors rechtswidrig ist und damit als Grundlage für "Ablösezahlungen" entfallen dürfte.

Die Thüringer Landesbauordnung (ThürBO) sieht in § 49 ThürBO vor, dass bei der Errichtung von Anlagen, bei denen ein Zu- und Abgangsverkehr zu erwarten ist, geeignete Stellplätze oder Garagen hergestellt werden müssen, wenn und soweit insbesondere unter Berücksichtigung der örtlichen Verkehrsverhältnisse und des öffentlichen Personennahverkehrs zu erwarten ist, dass der Zu- und Abgangsverkehr mittels Kraftfahrzeug erfolgt (notwendige Stellplätze und Garagen). Diese vom Landesgesetzgeber vorgesehene Stellplatzpflicht entfällt, wenn die Gemeinde durch örtliche Bauvorschrift nach § 83 ThürBO oder durch städtebauliche Satzung die Herstellung von Stellplätzen und Garagen ausschließt und beschränkt. Die Landesbauordnung sieht in § 49 III ThürBO zudem vor, dass die Stellplätze mit Einverständnis der Gemeinde durch Zahlung eines Geltbetrages abgelöst werden können. Die Höhe des Geldbetrages je Stellplatz ist durch Satzung festzulegen und kann insbesondere nach der Art der Nutzung und der Lage der Anlage unterschiedlich geregelt werden.
Die Systematik der ThürBO geht also davon aus, dass bei der Errichtung von Anlagen (Wohngebäude, insbesondere aber auch Gebäude für Handel und Gewerbe sowie freie Dienstleistungen) geeignete Stellplätze oder Garagen herzustellen sind (vgl. § 49 I ThürBO ). Der Gesetzgeber hat der Gemeinde allerdings über § 49 III ThürBO die Möglichkeit eingeräumt, es dem Bauherren zu ermöglichen, die Verpflichtung zum Bau eines Stellplatzes bzw. einer Garage durch Zahlung einer "Ablöse" zu erlassen. Notwendige Voraussetzung für die Möglichkeit einer Ablöse ist allerdings, dass für den Bauherren auch die faktische Möglichkeit besteht, Stellplätze zu errichten. Können aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (Platzmangel o. ä.) keine Stellplätze errichtet werden und ist es dem Bauherren damit praktisch unmöglich Stellplätze zu bauen, kann dieses Dilemma auch nicht dadurch aufgehoben werden, dass dem Bauherren diese Verpflichtung gegen Zahlung einer Ablöse erlassen wird. Denn die Möglichkeit, via Satzung eine Ablöseregelung zu schaffen, setzt denknotwendig voraus, dass die praktische Möglichkeit zur Errichtung eines Stellplatzes tatsächlich besteht. Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, kann entweder nicht gebaut werden oder aber die Stadt bzw. die Gemeinde nimmt das konkrete Gebiet durch Erlass einer entsprechenden örtlichen Bauvorschrift bzw. durch Erlass einer entsprechenden Satzung von der Stellplatzpflicht aus. Denn gem. § 83 Abs.1 Nr. 7 ThürBO kann die Gemeinde die Herstellung von Stellplätzen und Garagen in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets oder für bestimmte Nutzungen in bestimmten Teilen des Gemeindegebiets untersagen bzw. einschränken, wenn Gründe des Verkehrs oder städtebauliche Gründe dies rechtfertigen. Macht die Gemeinde von der Möglichkeit des § 83 I 7 ThürBO Landesbauordnung Gebrauch, entfällt die grundsätzlich nach § 49 I ThürBO bestehende Pflicht zu Errichtung eines Stellplatzes und damit auch die Möglichkeit, die Stellplatzverpflichtung durch eine Ablöseverpflichtung zu ersetzen.

Schließt die Gemeinde die Errichtung von Stellplätzen und Garagen durch Ortsrecht aus, legt sie damit die Zahl der notwendigen Stellplätze nach § 49 I ThürBO auf Null fest. Damit entfällt die Möglichkeit, für "verbotene", aber gleichwohl "notwendige" Stellplätze Ablösung zu verlangen (Jäde, ZfBR 2003, 221 ff.)

Die auf Grundlage des § 49 III ThürBO sowie § 83 I 7 ThürBO . erlassene Satzung der Stadt Jena genügt weder den Anforderungen des § 49 ThürBO noch denen des § 83. § 1 ThürBO - Voraussetzung und Wirkung der Ablösung - der Satzung lautet wie folgt:

"Ist die Herstellung von Stellplätzen und Garagen auf dem Baugrundstück oder in zumutbarer Entfernung davon auf einem geeigneten Grundstück nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten möglich oder ist sie aufgrund einer Satzung für ein Gebiet der Stadt untersagt oder eingeschränkt, kann der Bauherr ,wenn die Stadt zustimmt, seiner Stellplatzverpflichtung nach § 49 I bis V ThürBO auch dadurch erfüllen, dass er an die Stadt einen Geldbetrag nach Maßgabe dieser Satzung zahlt. Der Geldbetrag wird entsprechende § 48 VIII ThürBO . verwendet."

Während die Ermächtigungsgrundlage des § 49 III ThürBO . von der praktischen Möglichkeit des Stellplatzbaus als Voraussetzung für die Schaffung der Alternative "Ablösezahlung" ausgeht, knüpft die Ablöseverpflichtung der Satzung der Stadt Jena an die Zustimmung der Stadt an, die wiederum nur dann gegeben wird, wenn die Stellplatzerrichtung nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist oder aber die Stadt die Stellplatzerrichtung für ein bestimmtes Gebiet mittels Satzung bzw. Bauvorschrift nach § 83 I 7 ThürBO untersagt oder eingeschränkt hat (sog. erzwungene Stellplatzablöse).

Insbesondere die letztgenannte Voraussetzung offenbart die Sinnwidrigkeit und Absurdität der Jenaischen Ablösesatzung: Der Bauherr soll sich nur dann von einer bereits Kraft Satzung ausgeschlossenen Stellplatzverpflichtung - die automatisch die Zahl der notwendigen Stellplätze auf 0 festlegt - freikaufen können, wenn die Stadt Jena dem zustimmt. Nicht minder obskur die erstgenannte Voraussetzung: Der Bauherr soll sich, wenn ihm der Bau des eigentlich notwendigen Stellplatzes praktisch unmöglich ist, mit Zustimmung der Stadt von dieser ins Leere laufenden - da unmöglich zu erfüllenden - Verpflichtung freikaufen können.

Konsequenzen:

  1. Die Stadt sollte sich ihrer Bindung an Recht und Gesetz bewusst werden und die rechtswidrige Regelung durch eine Satzung ersetzen, die sowohl den Anforderungen der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungshoheit als auch den Anforderungen des Landesbaurechts von 2004 Rechnung trägt. Übt die Stadt hierbei ihr Ermessen geschickt und maßvoll aus, kann sie sowohl Investitionshindernissen als auch der Parkplatzproblematik aktiv entgegensteuern.
  2. Investoren und Bauherren, deren Baugenehmigung mit der Pflicht zur Zahlung einer Ablöse verknüpft wird, sollten prüfen, ob die Zahlungsverpflichtung als selbständige Nebenbestimmung isoliert angefochten werden kann - wovon der Verfasser ausgeht - und die Zahlungsverpflichtung mangels wirksamer Ermächtigungsgrundlage (Satzung) kippen. Soweit die Zahlungsverpflichtung als Bedingung oder Auflage formuliert wird, müsste gegen den Bausbescheid insgesamt Widerspruch erhoben werden, da mit dessen Bestandskraft auch die Zahlungsverpflichtung endgültig wird.
  3. Soweit die Ablöseverpflichtung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen Stadt und Investor begründet wird, sollte die Ablöse unter Vorbehalt gezahlt werden und anschließend geprüft werden, ob die Ablöse zurückgefordert werden kann.


Jena, im Oktober 2010