Der Mindestlohn in der Praxis

Gut elf Monate nach in Kraft treten des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG) wird deutlich, dass die Anwendung des Grundsatzes für die Vergütung von 8,50 Euro je Zeitstunde oftmals mit Schwierigkeiten verbunden ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn in Arbeitsverträgen „pauschale“ Monatsvergütungen vereinbart sind, Sonderzahlungen geleistet und/oder Überstunden erbracht werden.

Im Falle der Zahlung einer festen Monatsvergütung kann es durchaus vorkommen, dass in Monaten mit vielen Arbeitstagen die gezahlte Vergütung den Betrag von 8,50 Euro unterschreitet. Ist zum Beispiel eine monatliche Vergütung von 1.450,00 Euro – bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden die Woche bzw. 8 Stunden täglich bei einer 5 Tage-Woche – vereinbart, so betrug die Vergütung im Februar 2015 etwa 9,06 Euro pro Stunde (20 Arbeitstage zu je 8 Stunden). Im Monat Juli 2015 würde eine derartige Vereinbarung aber dazu führen, dass die stündliche Vergütung nur bei 8,24 Euro liegen würde. Finden sich dann noch zusätzliche Klausel in Arbeitsverträgen, dass mit der „pauschalen“ Vergütung auch Überstunden im gewissen Umfang mit abgegolten sein sollen, kann die Grenze von 8,50 Euro noch schneller und noch deutlicher unterschritten sein. Ein einfaches Nachrechnen lohnt sich also.

Viele Arbeitgeber stellen sich in solchen und ähnlichen Fällen schnell auf den Standpunkt, dass Sonderzahlungen generell auf den Mindestlohn mit anzurechnen seien. Dies trifft aber in dieser Pauschalität nicht zu.

Für die Anrechenbarkeit einzelner Sonderzahlungen auf den Mindestlohn kommt es darauf an, ob es sich bei den gewährten Zahlungen um eine regelmäßige Vergütung der Arbeitsleistung handelt oder ob Überobligatorisches vergütet werden soll. Die Zahlung müsste auch unwiderruflich ausgestaltet sein. Widerrufsvorbehalte und Stichtagsklauseln stehen einer Anrechenbarkeit entgegen.

Anzurechnen sind etwa:

- Einmalzahlungen, die im Fälligkeitszeitraum Arbeitsleistung vergüten und unwiderruflich ausgezahlt wurden.

- Alle Zulagen und Zuschläge, mit denen die regelmäßig vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vergütet wird.

Nicht anzurechnen sind etwa:

- Zahlungen zur Honorierung der Betriebstreue, da bei diesen gerade nicht die Vergütung der Normalarbeitsleistung, sondern das Verbleiben im Betrieb belohnt werden soll.

- Urlaubsgeld, welches keine Vergütung der Arbeitsleistung darstellt, sondern vielmehr der Kompensation der dem Arbeitnehmer während des Urlaubs entstehenden Zusatzkosten dient.

- Trinkgelder, die mangels vertraglicher Vereinbarung kein Arbeitsentgelt darstellen, wenn und soweit ein Dritter diese dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer vom Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt.

- Vermögenswirksame Leistungen.

- Zuschläge für Arbeitsleistungen zu besonderen Arbeitszeiten (Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, Schichtzulagen, Überstundenzuschläge).

- Nachtarbeitszuschläge.

- Zuschläge für unregelmäßige und besonders belastende Arbeiten (wie etwa Schmutzzulagen) bzw. Zuschläge für Qualität und Schnelligkeit der Arbeit (wie etwa Akkordprämien).

  • Jens Groschopp

    Rechtsanwalt


    Telefon (03641) 3279333

    Telefax (03641) 3279338

    E-Mail  mail@anwalt-groschopp.de